Bettenwechsel
Als bei den Autos, die sie eben überholt hatten, die Bremsleuchten
aufglühten und die Warnblinkleuchten zu blinken begannen dachte Bettina
Haferkorn: „Und das dürfte es nun wohl wirklich gewesen sein.“
Noch mehr als zweihundert Kilometer und weniger als zwei Stunden, das
wäre sogar mit ihrem Honda gerade noch zu schaffen gewesen. Sie saß
aber nicht in ihrem Honda sondern im Trabi ihrer Mutter. Denn der Honda
hatte genau in dem Augenblick den Geist aufgegeben, als sie mit einem
Gefühl vom Hof rollte, als habe sie sich eben im Besener Hochseilpark
mit den Füßen von der Kante des Sprungturmes abgestoßen,
um mit dem Seil auf das andere Ufer des Klammbachs zu schwingen. Ein dumpfer
Knall unter der Motorhaube und dann eine Dampfwolke. Und auch da hatte
sie schon gedacht: „Das war es dann wohl gewesen.“ Weil aber
ihre Mutter gleich wieder einen ihrer „Was hab ich gesagt?“
- Sprüche parat hatte, hatte sie dann doch um deren Trabi gebettelt:
„Mama, wenn ich schon zum Bewerbungsgespräch zu spät komme,
kann ich auch gleich zuhause bleiben.“
– „Was hab ich gesagt? Nimm Schimmelpfennigs Lada. Die sind
noch nicht einmal fünftausend Kilometer damit gefahren. Aber nein,
es musste ja unbedingt so ein Bügeleisen mit Schlafaugen sein!“
Den Trabi hatte sie ihr aber trotzdem gegeben, jedoch nicht ohne, ihr
noch so ein „Was hab ich gesagt?“ mit auf den Weg zu geben:
“Hotelrezeption! Dort brauchen sie keine grauen Mäuse wie dich.
Dort brauchen sie Zwitschervögelchen, dass die Männer gleich
die Minibar inspizieren, wenn sie auf den Zimmern die Koffer abgestellt
haben. Vergiss nicht, du bist keine Zwanzig mehr.“
Aber das hatte sie nur noch in ihrem Entschluss bestärkt, diesem
immer noch in ihrem Kopf herumdödelnden „Das war es wohl gewesen“
ein trotziges “Nun erst recht!“ entgegenzusetzen. Denn sie
hatte wirklich gemeint, dass die Leute, die im Besener Hochseilpark, die
Hände um das Seil geklammert, auf die andere Seite des Klammbachs
hinüber schwangen, sich genau so fühlen müssten, wie sie
sich fühlte, als sie mit dem Honda zwischen den hölzernen Torpfosten
hindurch auf den Weg hinaus rollte, der das Haus, in dem sie mit ihrer
Mutter wohnte, mit dem Rest der Welt verband. Und es waren nicht einmal
fünfzehn Minuten vergangen gewesen, bis sie die Tür des Trabbis
zugeknallt und den Zündschlüssel gedreht hatte. Und die Pause
hinter der Fliederhecke am ehemaligen Hahnenhof, wo sie aussteigen musste,
um die Strümpfe mit den aufwärtsstrebenden Rosenranken anziehen
zu können, hätte sie auch mit dem Honda eingelegt. Wobei sie:
„Wenn er ein Haus hat, hat er auch eine Zahnbürste“,
gedacht hatte. Denn ihre Mutter war ihr nicht von den Hacken gewichen,
und so hatte sie keine Gelegenheit gefunden, die Tasche mit den Kleinigkeiten
für zwei Nächte in einem fremden Bett aus dem Kofferraum des
Hondas in den des Trabis umladen zu können. Sonst hätte sie
ihr auch gleich den Brief geben können, den sie auf dem Kopfkissen
ihres Bettes zurückgelassen hatte: „Mama, das mit der Hotelrezeption
kannst du als Witz verbuchen und mit dem Abendbrot brauchst du auch nicht
auf mich zu warten. Nicht einmal zum Frühstück werde ich da
sein. Und überhaupt wird ab heute alles anders. Ich übernachte
nämlich bei einem Mann.“
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